Zum photographischen Werk von Susi Krautgartner

von Iris Laner, 2008

Ein gestisch festgefrorener Körper blickt der Betrachterin entgegen, streift ihre Sicht, um sie nicht mehr loszulassen. Ein flüchtiger Eindruck, der sich nichtsdestotrotz fast penetrant im Zuspruch dieser Photographie verankert. Er gibt das Motiv in seiner vermeintlichen Bedeutung von reiner Schönheit und Harmonie frei. Gleichsam schnürt er im Augenblick der kontemplativen Betrachtung die Kehlen zu, während sich der schöne Körper im Bildraum scheinbar aufzulösen beginnt. Der Körper dieses Motivs erscheint plötzlich körper-los. Unmenschlich, aufdringlich, in seiner Perfektion beunruhigend, unheimlich.

So oder ähnlich artikuliert sich ein Geschehnis der Widersprüchlichkeit, welches die Photographien Susi Krautgartners markiert, die zu einem großen Teil um die Beschäftigung mit dem eigenen Körper, dessen Dichte und Offenheit für Veränderung, Raum und Nichtraum kreisen. Diese Bilder sind dabei allem voran eines, nämlich uneindeutig – und sie eröffnen in ihrer Ambiguität einen Fragehorizont, der der Eigentümlichkeit des Mediums Photographie nachdenkt.

Eine ambivalente Verwobenheit von Körper und Körperlosem, von völliger Transparenz und restloser Opazität lässt in Susi Krautgartners Arbeiten eine tiefe Wunde aufklaffen, die eine dualistische Abgrenzbarkeit von Motiv und Raum, von augenblickhaftem Moment und temporaler Spanne zerbersten lässt. Ein spezieller, in der kommerziellen und künstlerischen Photographie oft eingesetzter Raum – das Studio – wird dabei zum Schauplatz dieser eruptiven Auflösung.

Das Studio ist als Ort der Inszenierung durch eine Adaptierbarkeit für verschiedene Arrangements, die ihm nicht innewohnen, sondern vielmehr beigefügt werden, charakterisiert. Das Studio ist somit ein Raum der radikalen Offenständigkeit, der nach Bedarf mit diversen Szenerien befüllt werden kann. Eine derartige Flexibilität verlangt nach einer größtmöglichen Neutralität des Studioraumes selbst. Bleibt dieser vermeintlich eigenschaftslose Ort in seiner Offenständigkeit für vielfältigste Situationen jedoch selbst leer und wird dagegen nur von einem scheinbar in seinen Schoß des aufenthaltslosen Raumes sich verirrenden Motiv kurzzeitig bewohnt, dann geschieht etwas Seltsames, das die Arbeiten von Susi Krautgartners immer wieder zur Sprache bringen. Es ist ein Szenario der Irritation, das sich zwischen der vordergründigen Fülle einer Inszenierung und ihrer hintergründigen räumlichen Offenständigkeit aufspannt, aus der sie sich erst zusprechen kann. Das Studio wird im Zuge dieser Irritation als Ort der räumlichen Enthaltsamkeit freigelegt. Statt zur Lokalisierung herangezogener Details herrschen hier Monochromizität und eine radikale Hintergründigkeit des Raumes vor. Doch der Raum wird durch diese Hintergründigkeit, durch diese völlige Durchlässigkeit keineswegs nebensächlich. Er wird vielmehr in einer besonderen Art und Weise dekonstruiert und auf seine Funktionalität in der Photographie hin befragt. Indem es keine Verweise auf ein konkretes Wo mehr gibt, wird die Medialität der Photographie in ihrem vermeintlichen Wirklichkeitscharakter gestört. Es handelt sich um ein Spiel mit dem Aufenthalt des körperlichen Motivs im aufenthaltslosen Raum der Entkörperlichung.

Zwischen der Willkür des körperhaften Augenblicks und einer penibel geplanten Inszenierung, zwischen Enträumlichung und Verkörperung liegt die Transparenz der Photographie, die diese Bilder verdecken, gleichsam aber in ihrer Ambivalenz entdeckbar werden lassen. Während der uneinholbare Akt des Photographierens selbst, der durch seine unendlich kleine zeitliche Erstreckung je schon die Schwelle der absoluten subjektiven Steuerung unterschritten und damit in Frage gestellt hat, das „Zuvor“ einer bis ins kleinste Detail vorgenommenen Anleitung des Bildmotivs zerlegt, wird in diesem Prozess der Rückläufigkeit der Raum für ein neues, reflexives Bildgeschehen eröffnet.